Gedanken zum Training im Tendokan / Tokio

Manchmal scheint es wichtig, schnell etwas aufzuschreiben! Manchmal ist es von Vorteil, etwas Zeit vergehen zu lassen! Schnell ist die Zeit verflogen und es sind schon wieder einige Monate vergangen seit unserem Besuch bei Shimizu Sensei (8. Dan Tendoyru Aikido) im Tendokan in Tokio. Längst sind wir wieder im Training in der Budohalle des TSV Großhadern. Längst haben sich wieder Gewohnheiten eingeschlichen, die man nach dem eindrucksvollen Erfahrungen im Tendokan eigentlich ändern wollte. Der Geist ist willig, der Körper ist … Im Aikido trainieren wir Körper und Geist gleichermaßen – bzw. haben uns dies als Ziel gesetzt.

Quatsch nicht soviel im Training! „Sho Shin“ bedeutet „Anfängergeist“. Vorsicht: Schnell stellt sich das Gefühl ein, man würde eine Technik können und diese nur immer wieder „abspulen“. Dem ist keineswegs so: Wir sind selber immer wieder anders, unser Partner ist anders und die „Form“, die wir versuchen mit Leben zu füllen, ist es auch. Der Anfänger ist höchst konzentriert, nichts entgeht ihm, da ja alles neu ist. Der vermeidliche Fortgeschrittene ist ja „fortgeschritten“, kennt ja alle Techniken, und entsprechend macht er manchmal nur noch eine Form. Damit aus einer Form eine lebendige Technik,wahres Budo, wird müssen wir mit „Sho shin“ trainieren, uns jedes Mal auf das Neue wachsam darauf einlassen. Anfänger reden dabei viel weniger als manche Fortgeschrittene. Wer im Tendokan trainiert hat, wird festgestellt haben, dass dort nur der Trainer oder Co-Trainer spricht und sonst keiner. Um so mehr im Training gesprochen wird, um so weniger Zeit bleibt zum Training. Das sogenannte „Keiko“ entwickelt sich somit immer weiter weg vom Training.

Was macht einen guten „Anfängergeist“ aus? „Zan Shin“ (jap. übriggebliebenes Herz) bedeutet soviel wie „Aufmerksamkeit bis zuletzt“. Aufmerksamkeit vom Anfang bis zum Ende einer Technik und darüber hinaus das gesamte Training. Wer das erste Mal das Tendokan in Tokio betritt, wird schnell freundlich begrüßt und Empfang genommen. Aufmerksam wird man zur Umkleide geleitet, usw. „Zan Shin“ ist ein Begriff, eine Idee, die weit über die Matten und das Dojo hinausreicht. Wer wachsam durch sein Leben gehen möchte, braucht „Zan Shin“. Aufmerksam überqueren wir die Straße, aufmerksam betreten wir das Dojo, aufmerksam kleiden wir uns, aufmerksam verbeugen wir uns, aufmerksam trainieren wir …. So aufmerksam kann doch kein Mensch sein, irgendwann ermüdet jeder, bzw. welche Aufmerksamkeit ist überhaupt gemeint? Viele dieser japanischen Begriffe mit einem philosophischen Hintergrund hören sich geheimnisvoll und interessant an, sind es aber eigentlich gar nicht. Ein kleines Kind lässt sich, wenn es etwas Neues erkundet, ganz natürlich und wachsam darauf ein. Mit jedem Schritt, das es tut, entdeckt es Neues!

Auf das Geheimnis wahren Budos angesprochen antwortet Shimizu Sensei einmal „Fühlen zu können“ und dazu gehört auch „Sich entspannen zu können“. Einatmen und ausatmen, anspannen und entspannen, aufmerksam und relaxt zu sein – zur richtigen Zeit, zum richtigen Ort, das ist wahres Budo. Für die Samurai war dies eine überlebenswichtige Strategie. Nun üben wir im Aikido nicht mit einem scharfen Schwert, dennoch führen wir viele Bewegungen so aus, als hätten wir ein Schwert in der Hand. „Shin Ken“ bedeutet soviel wie „scharfes Schwert“. Hätten wir ein scharfes Schwert in der Hand, würden wir vermutlich viel ernsthafter trainieren. „Sho Shin“ und „Zan Shin“ wären dann keine Fremdworte für uns, sondern ganz natürlich. Nur ein kleines Beispiel: Würde mir jemand mit einem Schwert gegenüberstehen, würde ich ihn genau anschauen, damit mir nicht die kleinste Bewegung entgeht. Oftmals schauen wir jedoch viel zu unkonzentriert. Schon mit dem wachsamen Blick beginnt Aikido. Nachdem wir nicht mit einem scharfen Schwert trainieren, haben wir es nicht so einfach! Dennoch können wir es jedes Mal aufs Neue versuchen,

  • aufmerksam,

  • fühlend

  • ernsthaft

zu trainieren. So wird sich unser Aikido weiter entwickeln und wachsen können!

Bodo-Klaus Eidmann

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